Dr. med. vet. Corina Gericke

Angeblich seien Tierversuche notwendig, um die Produkte, die wir benutzen, für uns sicher zu machen und um neue Behandlungsmethoden für kranke Menschen zu finden. Tatsächlich sind Tierversuche aber nicht geeignet, die Wirkung und Gefährlichkeit von Stoffen für den Menschen zu beurteilen. Mittlerweile erkennen immer mehr Wissenschaftler, Politiker und Bürger, dass Tierversuche nicht halten, was sie versprechen, dass die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können.

Tierversuche sind gefährlich

Vielfach wird behauptet, man könne nicht auf Tierversuche verzichten, weil man einen »kompletten Organismus« für die Entwicklung von Medikamenten brauche. Bei Tieren handelt es zwar um einen ganzen Organismus, aber um den falschen. Tiere und Menschen unterscheiden sich hinsichtlich Anatomie, Physiologie und Stoffwechsel wesentlich voneinander. Selbst Tiere verschiedener Arten können auf Chemikalien und Medikamente ganz unterschiedlich reagieren. Nach der Durchführung eines Tierversuchs kann nicht vorausgesagt werden, ob Menschen genauso oder anders reagieren werden.

Eine Studie der Pharmafirma Pfizer besagt »man könnte eher eine Münze werfen, als sich bei der Frage nach möglichen krebsauslösenden Stoffen auf Tierversuche zu verlassen. Nur 5-25% der Substanzen, die für Menschen schädlich sind, haben auch auf die Versuchstiere eine negative Wirkung. Das werfen einer Münze erzielt bessere Ergebnisse.« (1)

Die vielen aufgrund von Tierexperimenten für sicher gehaltenen Medikamente, die beim Menschen schwerwiegende oder gar tödliche Nebenwirkungen hervorriefen, sind ein Beweis dafür, dass sich die Ergebnisse von Tierversuchen nicht mit der nötigen Zuverlässigkeit auf den Menschen übertragen lassen. Lipobay®, Vioxx®, Trasylol®, Acomplia® und TGN1412 sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Allein in Deutschland gehen Hochrechnungen zufolge 58.000 Todesfälle auf das Konto von Arzneimittelnebenwirkungen. (2)

Umgekehrt weiß niemand, wie viele sinnvolle Medikamente nie auf den Markt gelangen, weil sie aufgrund von irreführenden Tierversuchen vorzeitig aussortiert werden. Viele segensreiche Arzneien wie Aspirin, Ibuprofen, Insulin, Penicillin oder Phenobarbital wären uns vorenthalten geblieben, hätte man sich schon in früheren Zeiten auf den Tierversuch verlassen. Diese Stoffe rufen nämlich bei bestimmten Tierarten aufgrund unterschiedlicher Stoffwechselvorgänge gravierende Schädigungen hervor. Sie wären bei der heutigen Vorgehensweise der Wirkstofffindung durchgefallen.

Für jedes Produkt mussten Zehntausende Tiere leiden und sterben. Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen nicht einmal um Produkte, die die Medizin voranbringen. Im Gegenteil, von den jährlich rund 2.500 Neuanträgen für Medikamentenzulassungen in Deutschland ist nur alle zwei Jahre eine echte Innovation dabei. (3) Alles andere gibt es schon oder braucht keiner. So wurden beispielsweise von der Firma Bayer völlig normale Alterserscheinungen des Mannes zu einem »Testosteron-Mangel-Syndrom« erklärt, um einen neuen Absatzmarkt für ein Hormonpräparat zu schaffen. In Deutschland sind rund 60.000 Medikamente auf dem Markt. Viele davon sind identisch und werden nur unter anderem Namen vermarktet. Laut WHO sind nur 325 Wirkstoffe erforderlich. (4)

Tierversuche tragen nichts zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden bei. Die Pharmaindustrie führt sie durch, um sich abzusichern, falls etwas mit einem Produkt etwas schief geht.

Tierversuche sind schlechte Wissenschaft

Da die meisten menschlichen Krankheiten bei Tieren nicht vorkommen, werden die Symptome auf künstliche Weise in sogenannten »Tiermodellen« nachgeahmt. Um zum Beispiel Parkinson auszulösen, wird bei Affen, Ratten oder Mäusen ein Nervengift in das Gehirn injiziert, das Hirnzellen zerstört. Krebs wird durch Genmanipulation oder Injektion von Krebszellen bei Mäusen hervorgerufen. Schlaganfall wird durch das Einfädeln eines Fadens in eine Hirnarterie bei Mäusen erzeugt. Zuckerkrankheit ruft man durch Injektion eines Giftes in Ratten, das die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört, hervor. Ein Herzinfarkt wird bei Hunden durch Zuziehen einer Schlinge um ein Herzkranzgefäß simuliert.

Die künstlich hervorgerufenen Symptome haben jedoch nichts mit den menschlichen Krankheiten, die sie simulieren sollen, gemein. Wichtige Aspekte der Krankheitsentstehung wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, Verwendung von Suchtmitteln, schädliche Umwelteinflüsse, Stress, psychische und soziale Faktoren werden dabei außer acht gelassen. Ergebnisse aus Studien mit Tieren sind daher irreführend und irrelevant.

Tatsächlich versagt die tierexperimentell ausgerichtete Forschung immer wieder auf ganzer Linie. 92% der potentiellen Arzneimittel, die sich im Tierversuch als wirksam und sicher erwiesen haben, kommen nicht durch die klinische Prüfung (5), entweder wegen mangelnder Wirkung oder wegen unerwünschter Nebenwirkungen. Von den 8% der Wirkstoffe, die eine Zulassung erhalten, wird die Hälfte später wieder vom Markt genommen, weil sich beim Menschen weitere schwerwiegende, oft sogar tödliche Nebenwirkungen herausstellen. (6)

Beispielsweise glaubte man mit der »Erfindung« der Krebsmaus den Schlüssel zur Bekämpfung bösartiger Tumoren endlich in der Hand zu halten. Forschern der Harvard-Universität war es Mitte der 80er Jahre gelungen, ein menschliches Krebsgen in das Erbgut von Mäusen einzuschleusen, so dass die Nager frühzeitig Tumore entwickelten. Diese genmanipulierte Maus wurde 1988 in den USA und 1992 in Europa als erstes Säugetier sogar patentiert. Seither wurden Zigtausende Krebsmäuse »geheilt«. Doch alle bei den Nagern »erfolgreichen« Behandlungsmethoden versagten beim Menschen.

Regelmäßig kündigt die tierexperimentelle Forschung den Durchbruch bei allen möglichen Krankheiten an. Im Tierversuch hätte sich diese oder jene Behandlungsmethode im Kampf gegen Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose, Krebs, Arterienverkalkung usw. als erfolgreich erwiesen. Doch die Hoffnungen der betroffenen Patienten werden so gut wie immer enttäuscht. Von den gefeierten Wundermitteln hört man nie wieder etwas. Der Mensch ist eben doch keine Maus.

Zunehmend stellen auch wissenschaftliche Studien den Nutzen von Tierversuchen in Frage. Sie belegen, dass Tierversuchsergebnisse oft nicht mit den am Menschen gewonnenen Erkenntnissen übereinstimmen und dass Tierversuche für die klinische Anwendung beim Menschen häufig irrelevant sind.

In einer Übersichtsarbeit aus England wurden die Ergebnisse verschiedener Behandlungsmethoden bei Versuchstieren und Patienten anhand entsprechender Fachartikel verglichen. Bei nur drei der sechs untersuchten Krankheitsbilder gab es Übereinstimmungen, bei der anderen Hälfte nicht. (7)

In einer weiteren Vergleichsstudie stellte ein britisches Wissenschaftlerteam fest, dass sich die Ergebnisse von gleichermaßen an Tieren und Menschen durchgeführten Studien oft ganz erheblich voneinander unterscheiden. Die ungenauen Ergebnisse aus Tierversuchen können Patienten gefährden und sind zudem eine Verschwendung von Forschungsgeldern, heißt es in der Arbeit. (8)

In einer deutschen Studie wurden 51 in Bayern genehmigte Tierversuchsanträge auf ihre klinische Umsetzung analysiert. Das Wissenschaftlerteam fand heraus, dass auch nach zehn Jahren bei keinem einzigen Projekt eine Umsetzung in der Humanmedizin nachweisbar war. (9)

Tierversuche nützen nicht nur nichts, sie schaden sogar. Sie spiegeln eine Sicherheit wider, die nicht vorhanden ist und sie halten, wegen der falschen Ergebnisse, die sie liefern, den medizinischen Fortschritt nur auf.

Tierversuche sind unmoralisch

Abgesehen von zahlreichen wissenschaftlichen Argumenten sind Tierversuche auch aus ethischen Gründen abzulehnen. Jedes Jahr leiden und sterben weltweit mindestens 115 Millionen in den Labors der chemischen und pharmazeutischen Industrie, der Hochschulen und anderer Forschungsinstitute. (10) Im Tierversuch werden Tiere als »Modellorganismen« zu Messinstrumenten degradiert, die nach Gebrauch weggeworfen werden. Doch Tiere sind fühlende, leidensfähige Mitgeschöpfe. Tierversuche und eine ethisch vertretbare Medizin und Wissenschaft schließen sich aus.

Tierversuchsfreie Methoden sind gute Wissenschaft

Das Ende der Tierversuche bedeutet nicht das Ende der medizinischen Forschung. Im Gegenteil: Eine Verlagerung auf Studien am Menschen zum Beispiel im Bereich der Epidemiologie, klinischen Forschung, Arbeits- und Sozialmedizin würden in der Medizin zu wirklichen Fortschritten führen. Tierversuchsfreie Testmethoden mit menschlichen Zellen und Geweben kombiniert mit speziellen Computerprogrammen liefern im Gegensatz zum Tierversuch genaue und aussagekräftige Ergebnisse.

Technisch ausgefeilte Computermodelle können Informationen über Struktur, Wirkung und Giftigkeit von Substanzen, wie zum Beispiel neue Arzneimittel oder Chemikalien, liefern. Mikrochips kombinieren Computer- und In-vitro-Methoden miteinander. In einem System aus winzigen Gängen und Kammern auf einem Mikrochip werden menschliche Zellen verschiedener Organe angesiedelt. Die Wirkung einer Testsubstanz in den einzelnen Organen, seine Verstoffwechslung sowie die mögliche Entstehung giftiger Abbauprodukte kann so getestet werden. (11)

Tierversuche, die nicht ersetzt zu werden brauchen

Wer glaubt, Tierversuche würden durchgeführt, um neue Therapien für kranke Menschen zu entwickeln, irrt gewaltig. Viele tierexperimentelle Projekte besonders im Bereich der Grundlagenforschung haben nicht einmal vorgeblich einen Nutzen für die Medizin.

Beispiele von in Deutschland genehmigten und durchgeführten Tierversuchen:

- An der Uni Leipzig wurde herausgefunden, dass Winterschlaf das Nervengewebe von Hamstern schützt und so z.B. Alzheimer vorbeugen kann. (12)

- Am Bundesinstitut für Ernährung in Karlsruhe wurden Kälbern Carotinoide in den Milchaustauscher gemischt, um der Frage nachzugehen, warum Tomaten und Melonen so gesund für Menschen sind. (13)

- Um die Folgen eines akuten Lärmtraumas auf das Innenohr von Meerschweinchen zu untersuchen, wurden an der Uni Mainz die Ohren der Tiere mit Gewehrschusslärm (156 +/- 4 dB) beschallt. Anschließend wurden die Meerschweinchen getötet. (14)

- Am Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven wurden 22 auf einer deutschen Nordseeinsel gefangene Heringsmöwen sechs Tage lang nicht gefüttert. Ziel war es, herauszufinden, wie lange Möwen hungern können. (15)

- In Ulm beschäftigt sich eine Forschergruppe seit Jahren mit den Auswirkungen der Schwerkraft auf die Entwicklung und den Biorhythmus verschiedener Tierarten. So wurde eine Vorrichtung gebaut, mit deren Hilfe an einem lebenden Skorpion mehrere Monate lang Messungen durchgeführt werden können. Das Tier wird dabei unbeweglich auf einer Platte fixiert. In Augen, Beinmuskeln, Gehirn und Körper stecken Elektroden, die kontinuierlich Nervenströme messen. (16)

Für solche Forschungsprojekte braucht nicht nach tierversuchsfreien Forschungsmethoden gesucht zu werden. Diese Tierversuche können ersatzlos gestrichen werden, entweder, weil längst menschliche Daten vorliegen oder aber die Ergebnisse vollkommen irrelevant für die menschliche Gesundheit sind.

Warum werden immer noch Tierversuche gemacht?

Das Festhalten am Tierversuch hat nicht wissenschaftliche Gründe, sondern basiert größtenteils auf Tradition. Vor mehr als 150 Jahren wurde der Tierversuch maßgeblich durch den französischen Physiologen Claude Bernard (1813 – 1878) zum Prüfstein jeglicher medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnis erhoben. Die Bernard'sche Lehre setzt sich bis heute in einem wissenschaftlichen Weltbild fort, das nur Erkenntnisse akzeptiert, die analytisch nachvollziehbar sowie mess- und reproduzierbar sind. Im Rahmen dieses Wissenschaftssystems werden Krankheiten zu technischen Defekten und Tiere zu Messinstrumenten.

So wird denn auch die Qualität eines Forschers nicht daran gemessen, wie vielen Menschen er geholfen hat, sondern an der Menge seiner Fachpublikationen. Nach dem Motto »Publish or perish« kann man sich nur mit einer langen Liste von Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften in der Welt der Wissenschaft profilieren. Von der Publikationsliste ist die Höhe der Forschungsgelder abhängig. Diese werden in neue Tierversuche gesteckt, die wieder eine neue Publikation ergeben. Dieses absurde System erhält sich selbst und verschlingt Unsummen in Form von Forschungsgeldern, Drittmitteln oder Stipendien, ohne dass etwas Sinnvolles für kranke Menschen dabei herauskommt.

Ein weiterer Grund für die Beibehaltung des Tierversuchs in einigen Teilbereichen ist die mangelnde finanzielle Förderung der tierversuchsfreien Forschung sowie langwierige Anerkennungsverfahren.

Für die Pharmaindustrie schließlich haben Tierversuche eine Alibifunktion. Wenn mit einem Medikament etwas schief geht, kann der Hersteller auf die durchgeführten Tierstudien verweisen, in denen die Nebenwirkungen nicht aufgetreten waren. Tierversuche sind bei der Pharmaindustrie auch beliebt, weil man mit ihnen alles beweisen kann, was man will. Irgendeine Tierart und Versuchsanordnung wird schon die gewünschten Ergebnisse liefern.

Fazit

Der Tierversuch stellt nicht nur eine grausame und deshalb unethische, sondern auch eine unwissenschaftliche Methode dar, die in einer modernen Medizin und Wissenschaft des 21. Jahrhunderts keinen Platz mehr haben darf.

Literatur

(1) Münchner Medizinische Wochenschrift 1983: 125 (27), 8
(2) J.U. Schnurrer, J.C. Frölich: Zur Häufigkeit und Vermeidbarkeit von tödlichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Der Internist 2003; 44, 889-895
(3) Peter Schönhöfer in TV-Sendung Fakt, 20.8.2001
(4) Weltgesundheitsorganisation, Pressemitteilung 4.9.2002 (WHO releases first global reference guide on safe and effective use of essential medicines), http://www.who.int/mediacentre/news/releases/who67/en/index.html
(5) U.S. Food and Drug Administration Report: Innovation or Stagnation - Challenge and Opportunity on the Critical Path to New Medical Products, March 2004, p.8; www.fda.gov/oc/initiatives/criticalpath/whitepaper.pdf
(6) U.S. General Accounting Office. FDA Drug Review: Postapproval Risks 1976-1985. Publication GAO/PEMD-90-15, Washington, D.C., 1990
(7) Perel P, Roberts I, Sena E, Wheble P, Briscoe C, Sandercock P: Comparison of treatment effects between animal experiments and clinical trials: systematic review. BMJ 2007; 334 (7586); 197
(8) Pound P, Ebrahim S, Sandercock P, Bracken MB, Roberts I: Where is the evidence that animal research benefits humans? BMJ 2004; 328; 514-517
(9) Lindl T, Völkl M, Kolar R: Tierversuche in der biomedizinischen Forschung. Altex 2005; 22 (3); 143-151
(10) Taylor K., Gordon N., Langley G., Higgins W. (2008) Estimates for Worldwide Laboratory Animal Use in 2005. Alternatives to Laboratory Animals (ATLA), 36(3):327-342
(11) Technology Review Juli 2004, S. 45-48
(12) Wolfgang Härtig at al: Hibernation model of tau phosphorylation in hamsters: selective vulnerability of cholinergic basal forebrain neurons – implications for Alzheimer’s disease. European Journal of Neuroscience 2007: 25, 69-80
(13) Tina Sicilia et al.: Novel Lycopene metabolites are detectable in plasma of preruminant calves after Lycopene supplementation. Journal of Nutrition 2005: 135, 2616-2621
(14) Ulf-Rüdiger Heinrich et al.: Endothelial nitric ocide synthase upregulation in the guinea pig organ of Corti after acute noise trauma. Brain Research 2005: 1074, 85-96
(15) U.Trotzke et al.: The influence of fasting on blood and plasma composition of herring gulls (Larus argentatus). Physiological and Biochemical Zoology 1999: 72(4), 426-437
(16) Michael Schmäh, Eberhard Horn: Neurophysiological long-term recordings in space: experiments Scorpi and Scorpi-T. Gravitational and space biology bulletin: Publication of the American Society for Gravitational and Space Biology 2005: 18 (2), 95-96