Dr. med. vet. Corina Gericke
Die Unterschiede zwischen Tier und Mensch sind so groß, dass Ergebnisse aus Tierversuchen nicht zuverlässig auf den Menschen übertragen werden können. In der tierexperimentellen Forschung geht man von der Annahme aus, das komplexe Krankheits- und Heilungsgeschehen beim menschlichen Patienten könnte in so genannten „Tiermodellen“, d.h. bei künstlich krankgemachten Tieren, nachgeahmt werden. Wichtige Faktoren der Krankheitsentstehung wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, Suchtmittel wie Tabak und Alkohol, Umwelteinflüsse, Stress, psychische und soziale Faktoren sowie geschlechts- und altersspezifische Unterschiede werden bei dieser Art der Forschung nicht berücksichtigt. Tierversuche haben aufgrund dieses falschen methodischen Ansatzes weder zur Behandlung der menschlichen Zivilisationskrankheiten wie Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs, Diabetes, Rheuma und Allergien etwas Wesentliches beigetragen, noch sind sie in der Lage, den Verbraucher vor Schäden durch Chemikalien und Medikamente wirkungsvoll zu schützen.
Tierversuchsfreie Verfahren sind im Gegensatz zum Tierversuch aussagekräftig und liefern für den Menschen relevante Ergebnisse. Die tierversuchsfreie Forschung bietet schon heute eine enorme Vielfalt verschiedener Möglichkeiten.
Beispiele für tierversuchsfreie Forschungsmethoden:
Zellen und Zellkulturen
- Der EPISKIN®-Test mit künstlicher, menschlicher Haut dient der Beurteilung der Ätzwirkung von Chemikalien auf der Haut. Diese Untersuchung wird normalerweise an Kaninchen oder Meerschweinchen vorgenommen.
- Beim Transformationstest führt die Zugabe von krebserregenden Substanzen zu einem ungeordneten Wachstum von normalen Zellen.
- Monoklonale Antikörper sind Abwehrstoffe, die in vielen Bereichen der Forschung und Diagnostik eingesetzt werden. Anstelle der besonders grausamen Produktion im Bauch von Mäusen, können Bioreaktoren ("Glasmaus" und "Tecnomouse") zur Herstellung verwendet werden.
- Beim PyroCheck-Test können mit Hilfe von menschlichen weißen Blutkörperchen fieberauslösende Substanzen (Pyrogene) in Impfstoffen und Infusionslösungen aufgespürt werden. Bislang wurden diese Stoffe Kaninchen injiziert.
- Die menschliche Augenhornhaut kann mit all ihren Schichten dreidimensional aus Zellen als "künstliche Cornea" nachgebildet werden, um Augentropfen zu testen.
- Mit Nervenzellkulturen kann die Ausschüttung von Überträgerstoffen der Nervenzelle sowie deren pharmakologische Beeinflussung untersucht werden. So können Arzneimittel im Bereich der Parkinson'schen Krankheit, der Epilepsien und der Schmerzforschung gesucht werden.
- Mit Zellkulturen aus Blutgefäßen, die bei Operationen anfallen, lassen sich Ursache und Behandlung der Arteriosklerose (Arterienverkalkung) erforschen.
- Kultivierte Herzmuskelzellen behalten auch im Reagenzglas ihre Fähigkeit bei sich zusammenzuziehen. So kann die Wirkung herzwirksamer Medikamente getestet werden.
Mikrochips
- In einem System aus winzigen Gängen und Kammern auf einem Mikrochip werden menschliche Zellen von Magen, Darm, Leber, Blut, Niere usw. angesiedelt. Aufnahme und Verstoffwechslung eines Wirkstoffes können so simuliert werden, fast wie in einem lebenden Organismus.
- Die Microarray-Technologie ist eine Methode, mit der die biochemischen Stoffwechselvorgänge Tausender einzelner Zellen auf einem winzigen Chip rasend schnell analysiert werden können.
Computersysteme
Technisch ausgefeilte Computermodelle liefern Informationen über Struktur, Wirkung und Giftigkeit von Substanzen, wie zum Beispiel neuen Arzneimitteln oder Chemikalien. Das Verhalten von Wirkstoffen im menschlichen Körper wird in solchen Simulationen sehr exakt dargestellt. In der Pharmaindustrie werden diese Modelle eingesetzt, um potentiell unwirksame oder toxische Stoffe auszusortieren.
Ethisch vertretbare Forschung am Menschen
- Mit Bevölkerungsstudien können die Zusammenhänge zwischen bestimmten Krankheiten und dem Lebensstil von Menschen, wie Ernährung und Gewohnheiten, untersucht werden. So konnten die Hauptursachen für Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes usw. aufgedeckt und vorbeugende Strategien entwickelt werden.
- Mit modernen computergestützten, bildgebenden Verfahren, wie der Magnetresonanz-Tomographie, können Organe und sogar Funktionen eines lebenden Körpers dreidimensional dargestellt werden. Selbst die Durchblutung von Gewebe und die Verarbeitung von Nervenreizen im Gehirn kann schmerzlos an Freiwilligen untersucht werden.
- Microdosing ist eine Technik im Bereich der Arzneimittelforschung, bei der Freiwillige eine extrem kleine, garantiert unschädliche Dosis eines potentiellen Medikamentes verabreicht bekommen. Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung der Substanz werden mit hochempfindlichen Methoden gemessen.
Warum werden immer noch Tierversuche gemacht?
Wenn Tierversuche so schlechte Ergebnisse liefern und tierversuchsfreie Forschung so viel besser ist, warum müssen dann immer noch so viele Tiere in Versuchen sterben?
- Seit mehr als 150 Jahren gilt die Methode Tierversuch in der Wissenschaft als "Goldstandard", ohne dass sie jemals auf ihre medizinisch-wissenschaftliche Relevanz hin überprüft worden ist.
- In die Tierversuchsforschung fließen enorme Summen in Form von Forschungsgeldern, Drittmitteln oder Stipendien. - Nur mit einer langen Liste von Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften kann man sich in der Welt der Wissenschaft profilieren.
- Tierversuche dienen der Befriedigung der wissenschaftlichen Neugier, dem Drang, die Natur und ihre Phänomene ohne Rücksicht auf ethische Grenzen bis ins letzte Detail ergründen zu müssen.
- Für die Pharmaindustrie haben Tierversuche eine Alibifunktion, da sie sie vor Regressansprüchen schützen können.
- Tierversuchsfreie Forschungsmethoden werden finanziell völlig ungenügend gefördert.
- Eine tierversuchsfreie Methode wird nur dann behördlich anerkannt, wenn ihre Ergebnisse "validiert" sind, das heißt, wenn sie mit denen des entsprechenden Tierversuchs übereinstimmen. Der Tierversuch selbst wurde allerdings nie validiert. Er wird einfach akzeptiert, obwohl die Ergebnisse ungenau und nicht auf den Menschen übertragbar sind. Die Qualität neuer, sinnvoller Testsysteme wird also an einer schlechten, veralteten Methode gemessen. Aussagekräftige In-vitro-Systeme haben es daher schwer, behördlich anerkannt zu werden.
Fazit:
Der Tierversuch ist eine unnötige Testmethode, ein Relikt vergangener Zeiten, das im 21. Jahrhundert keinen Platz haben darf. Anstatt an Forschungsmethoden aus dem vorletzten Jahrhundert festzuhalten, müssen wissenschaftliche Forschungsmethoden ohne Tierversuche, klinische Studien am Menschen sowie die Vorbeugung von Krankheiten in der Vordergrund rücken, um in der Medizin zu wirklichen Fortschritten zu gelangen.